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Freitag, 17. November 2006

schicksalstag der deutschen.....

9.11.1848,
9.11.1918,
9.11.1923,
9.11.1938
9.11.1989
"eine Reihe von Ereignissen, die insbesondere für Deutschland als politische Wendepunkte gelten."

Was mir dieses Jahr aufgefallen ist, aber vielleicht hab ja nur ich nichts davon mitbekommen, es wurde an alles 'gedacht', an die Reichskristallnacht, an den Fall der Berliner Mauer, ok. von der 48-er Revolution hab ich auch nichts gehört (ich lass mich gern im Nachhinein eines Besseren belehren), aber auch ein anderes historisches Ereignis ist vollkommen unter den Tisch gefallen.
ueberschrift
Ich bin 1994 als Mitglied einer Gruppe der Geschichte dieser Räterepublik auf den Grund gegangen. Aus den Unterlagen der damaligen Veranstaltungsreihe stammt ein Teil der folgenden Dokumente.

Immer, wenn der herrschende Status Quo plötzlich sehr brüchig wurde, oder wenn Menschen sich darauf besonnen haben, daß sie selber es sind, die die Gesellschaft formen, also der Anspruch stärker war, nicht mehr Zuschauer/in oder Opfer, sondern selbst gesellschaftlich Handelnde/r zu sein, fand dieses Begehren Ausdruck in mehr oder weniger grossen gesellschaftlichen Bewegungen, für die dann auch ganz schnell der Begriff 'REVOLUTION' zur Hand war. Das war 1848 und 1918/19 in Deutschland so, 1936 in Spanien, 1956 in Ungarn, 1989 in der DDR. Dass diese Revolutionen meistens auch mit der Forderung nach der Bildung von Räten verknüpft waren, gerät dabei meistens in den Hintergrund.

Für die Mehrzahl der Geschichtsbücher sind die Ereignisse von 1918-1920 nicht mehr als ein Absatz, überschrieben mit "Die Krisenjahre der Weimarer Republik".
Krisenjahre waren es auch, wenn man an die Lebensverhältnisse der Menschen denkt: Spätestens seit September 1918 war klar, dass Deutschland den Krieg verlieren wird und die Versorgungslage der Bevölkerung war katastrophal. Überall herrschte riesengrosse Not.


Homepage des deutschen historischen Museums: "Am 29. Oktober 1918 verweigerten Matrosen der Hochseeflotte in Kiel und Wilhelmshaven den Gehorsam, um ihr Leben bei einem letzten "ehrenvollen" Gefecht gegen britische Verbände nicht aufs Spiel zu setzen. Wie ein Flächenbrand weitete sich der Matrosenaufstand innerhalb weniger Tage über Deutschland aus. Bis zum 10. November bildeten sich praktisch in allen größeren deutschen Städten ohne nennenswerten Widerstand revolutionäre Arbeiter- und Soldatenräte, welche die städtische Verwaltung übernahmen. Zunehmend verlagerte sich dabei die Initiative zur Revolte von den Soldaten und Matrosen auf die Arbeiterschaft. Nunmehr stellten die Aufständischen über das Militärische hinausgehend politische Forderungen. Der Ruf nach Abdankung des Kaisers und nach Umwandlung des Deutschen Reichs in eine demokratische Republik wurde lauter."

Die Ereignisse überschlagen sich. Die Rufe nach Veränderung breiten sich innerhalb weniger Tage aus und erfassen auch das Königreich Bayern und dessen Hauptstadt München.



"Halloh , Ihr Menschen!
Halloh, Ihr Männer und Frauen der Revolution!
Halloh!
Gruß Euch allen, Ihr Brüder der kommenden Welt-Republik! Gruß Euch, Ihr Menschen der kommenden Welt-Republik ! Gruß Euch, Ihr Menschen des heiligen Weltbürgertums, das auf dem Wege ist!

Halloh, Ihr Menschen! Halloh!
Ich gehöre weder der Sozialdemokratischen Partei an, noch bin ich ein Unabhängiger Sozialist. Ich gehöre weder der Spartakus-Gruppe an,
noch bin ich ein Bolschewiki.

Ich gehöre keiner Partei, keiner politischen Vereinigung an,
welcher Art sie auch immer sei; weil weder Parteien noch Programme,
weil weder Proklamationen noch Versammlungsbeschlüsse
mich vor dem Welt-Unglück beschützen konnten.

Ich kann keiner Partei angehören,
weil ich in jeder Partei-Zugehörigkeit eine Beschränkung
meiner persönlichen Freiheit erblicke, weil die Verpflichtung
auf ein Partei-Programm mir die Möglichkeit nimmt,
mich zu dem zu entwickeln,
was mir als das höchste und edelste Ziel auf Erden gilt:
MENSCH SEIN ZU DÜRFEN!

Nichts anderes will ich sein als Mensch, nichts als Mensch.
Und weil mir "Mensch" das Höchste ist,
so muß mir alles andere,
was mich zu diesem Ziel nicht führt,
gleichgültig sein und gleichgültig bleiben."


RET MARUT:
" DIE WELTREVOLUTION BEGINNT" in
Hans-Jörg Viesel (Hg.), Literaten an der Wand.
Die Münchner Räterepublik und die Schriftsteller, 1980



In BAYERN, genauer gesagt, im Zentrum Bayerns, in München, rief KURT EISNER von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD) am 7.11.1918 den Freien Volksstaat Bayern aus. Bereits am 8.11. bildet sich eine Koalitionsregierung aus USPD, MSPD und Bauernbund mit Eisner als Ministerpräsident und dem bayrischen MSPD-Vorsitzenden Erhard Auer als Innenminister. In allen größeren Städten bildeten sich Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte. Während Kurt Eisner ein Modell favorisierte, das Parlamentarismus und Rätedemokratie zu verbinden suchte, verfolgte der SPD-Vorsitzende ERHARD AUER die Restauration des politischen Systems.


Bereits am 17.12. schränkte Auer in ministeriellen Richtlinien die Entscheidungsbefugnisse der Räte dramatisch ein. Am 1.1.1919 wird die KPD in Berlin gegründet. Ende Februar gründet sich eine Nürnberger Ortsgruppe. Auer setzte baldige Landtagswahlen durch, die am 12.1.1919 als 'Wahlen zur bayrischen Nationalversammlung' stattfinden. Die konservative 'Bayrische Volkspartei' stellt die meisten Abgeordneten noch vor der MSPD. Eisners Partei - die USPD - erleidet eine verheerende Niederlage - sie erringen nur 3 Mandate. Keinen Monat später, auf dem Weg zum Parlament, wird Kurt Eisner von einem Sympathisanten der rechtsradikalen THULE-GESELLSCHAFT erschossen. Der Name des Mörders: GRAF-ARCO-VALLEY . Die Konfrontation fand schließlich ihren Höhepunkt in der Ausrufung zweier Räterepubliken am 7. und 14. April und endete mit deren blutiger Niederwerfung im Mai 1919.


In der Reichshauptstadt Berlin eskalierten die politischen Auseinandersetzungen zwischen einer demokratisch und sozialistisch orientierten Revolutionsbewegung, die ihren Ausdruck in den Räteorganen fand, die mit der autoritären Staatsauffassung der wilhelminischen Ära radikal zu brechen versuchte und dem Widerstand der bürgerlichen Kräfte, aber auch einer Sozialdemokratie, die keine inhaltliche Bestimmung von Demokratie besaß schon im Januar.
Homepage des deutschen historischen Museums: "Vom 5. bis 12. Januar besetzten revolutionäre Arbeiter Teile der Innenstadt sowie das Berliner Zeitungsviertel und erklärten die Regierung für abgesetzt. Der spontane und strategisch unzureichend geplante Januaraufstand war der letzte Versuch der extremen Linken, die Wahl zur Nationalversammlung zu verhindern und eine Rätediktatur zu errichten. Die blutigen Kämpfe vom Januar 1919 prägten maßgeblich das Bild der Revolution von 1918/19 und vermittelten in weiten Bevölkerungskreisen die Schreckensszenarien der russischen Oktoberrevolution und des Bolschewismus. Das Scheitern des Aufstands sowie die Ermordung Luxemburgs und Liebknechts durch Mitglieder eines Freikorps radikalisierte einen erheblichen Teil der Arbeiter. Sie fühlten sich verraten von der Politik der SPD, die ihre Kontakte zur Armeeführung, den bürgerlichen Parteien und zu Wirtschaftsführern stetig intensivierte. Die einstmals so geschlossene Front der Arbeiterschaft war tief gespalten. Bei Landtags- und Gemeindewahlen im Frühjahr 1919 gaben viele ehemalige SPD-Wähler ihre Stimme den Kommunisten oder der USPD, die in zahlreichen Orten die SPD überflügelte. Viele dieser Wähler beteiligten sich auch an Streiks und revolutionären Unruhen, die nach der Wahl zur Nationalversammlung und der Einsetzung des Kabinetts unter Philipp Scheidemann bis zum Frühsommer 1919 weite Teile des Deutschen Reichs erfaßten. Im Ruhrgebiet und im mitteldeutschen Bergbaugebiet um Halle/Saale kam es zu Generalstreiks und blutigen Auseinandersetzungen mit Regierungstruppen.In Berlin versuchten Spartakisten einen Anfang März 1919 ausgerufenen Generalstreik zum Putsch gegen die Reichsregierung voranzutreiben. Fast 1.200 Menschen verloren bei den mehrere Tage anhaltenden Märzkämpfen ihr Leben. Wie der Aufstand in Berlin konnte auch die von der USPD Anfang April 1919 proklamierte Münchner Räterepublik nur mit Unterstützung massiver und äußerst brutaler Einsätze von Freikorpsformationen niedergeschlagen werden. Die revolutionäre Massenbewegung verlor nach diesen Kämpfen entscheidend an Dynamik. In der Folgezeit rüstete die radikale Linke zwar wiederholt zum Sturz der Weimarer Republik, eine breite Anhängerschaft wie noch im November/Dezember 1918 konnte allerdings zu keinem Zeitpunkt mehr mobilisiert werden."
Die "große Koalition" aus Bürgertum und SPD hatte die radikaldemokratische Rätebewegung 'neutralisiert'. Und während die Sozialdemokratie noch hoffte mit den Parteien des liberalen Bürgertums zu einer stabilen parlamentarischen Demokratie zu kommen, wagten reaktionäre und präfaschistische Kräfte bereits im März 1920 den militärischen Umsturz gegen die Weimarer Republik. Auslöser waren die durch den Versailler Friedensvertrag von Auflösung bedrohten Freikorps. Initiator und Führer des militärischen Staatsstreiches vom 13. März 1920, der irreführend als Kapp-Putsch in die Geschichte eingegangen ist, war General von Lüttwitz. Durch den Einmarsch der Brigade Ehrhardt - ihr Emblem war das Hakenkreuz am Stahlhelm - wurde die SPD-Regierung in die Flucht geschlagen, zuvor aber noch ein Aufruf zum Generalstreik von Ebert und den sozialdemokratischen Ministern durchgesetzt.......





"Wie lange, Völker, wollt ihr säumen?
Der Tag steigt auf, es sinkt die Nacht.
Wollt ewig ihr von Freiheit träumen,
da schon die Freiheit selbst erwacht?

Vernehmt die Rufe aus dem Osten!
Vereinigt euch zu Kampf und Tat!
Die Stunde der Befreiung naht!
Laßt nicht den Stahl des Willens rosten!

Auf, Völker, in den Kampf!
Zeigt euch der Brüder wert!
Die Freiheit ist das Feldgeschrei,
die Räte sind das Schwert!

Der Reiche bangt um seine Renten.
Er kauft der Wähler große Zahl,

und das Geschwätz in Parlamenten
beschützt sein heiliges Kapital.
Verlorne Mühe, auszujäten,
was fruchtbar aus dem Boden schießt!
Schweig, Reicher, still! Das Volk beschließt,
das freie Volk in seinen Räten!

Auf, Völker, in den Kampf!
Zeigt euch der Brüder wert!
Die Freiheit ist das Feldgeschrei,
die Räte sind das Schwert!


Auf, Arbeitsmann, Soldat und Bauer!
Schafft Räte aus den eignen Reihn!
Und stoßt damit die morsche Mauer
jahrhundertalter Knechtschaft ein!
Längst steht der Russe auf dem Walle.

Ihm folgt der tapfere Magyar.
Wie lange säumst du, Proletar?
Wie lange säumt ihr Völker alle?

Auf, Völker, in den Kampf!
Zeigt euch der Brüder wert!
Die Freiheit ist das Feldgeschrei,
die Räte sind das Schwert!

Es gilt den letzten Hieb zu führen.
Zu brechen gilt’s den Herrscherwahn.
Laßt uns die Glut des Kampfes schüren.
Dem Sozialismus freie Bahn!
Was einst die Lehrer uns verkündet:
in Trümmer sinkt die alte Welt.

Auf ihre Räte Recht gestellt,
so stehn die Völker frei verbündet!

Auf, Völker, in den Kampf!
Zeigt euch der Brüder wert!
Die Freiheit ist das Feldgeschrei,
die Räte sind das Schwert!....."

RÄTE-MARSEILLAISE (März 1919)

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JÜRGEN HABERMAS

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